Mythologische Überlieferung von Sonne und Mond

Die Canela kennen mehr als 100 mündlich überlieferte Mythen, die heute meist eher als Legenden und Erzählungen aufgefasst werden, da sich Glaubensvorstellungen durch die Generationen hinweg, und auch durch verschiedene Missionarisierungsversuche, verändert haben. Die Mythe von Sonne und Mond ist hingegen bis heute bedeutend und liefert Erklärungen für Überschwemmungen, Waldbrände, Palmenwachstum sowie über den Ursprung der Canela 1.
In frühester Zeit, als es noch keine Menschen gibt, streifen Sonne und Mond in menschlicher Gestalt über die Erde 2 Beide sind männlich und miteinander befreundet (hààpin = compadres) 3.
Während sie auf der Erde unterwegs sind, spielen sie sich gegenseitig Streiche und messen ihr Können in Wettbewerben um zu überprüfen, wer von ihnen der Bessere ist. In über zwölf Episoden, die verschiedene Aufgaben erzählen, die sich Sonne und Mond gegenseitig stellen, gewinnt zum Ende immer die Sonne. Die Ergebnisse der Sonne sind stets positiv, wohingegen der Mond eifersüchtig wird, da seine Ausführungen nicht annähernd so gut gelingen oder sogar scheitern 4.
Eine Aufgabe die von der Sonne aufgestellt wird, ist es, Kinder zu schaffen. Die Kinder der Sonne werden aus einer Badestelle herausholt werden haben langes, schönes, schwarzes Haar und helle Haut. Der Mond geht zum gleichen Teich, seine Kinder tragen jedoch kurze, verknotete Haare und haben dunkle Haut, was von den Canela negativ gedeutet wird 5. Diese Episode wird als Ursprung der Menschen und ihren individuellen Unterschieden verstanden. Weitere mündliche Überlieferungen von Sonne und Mond erzählen bspw. davon, wie die Menschen sesshaft werden und anfangen Nahrungsmittel zuzubereiten 6. Andere Mythen beziehen sich auf die Herkunft des Feuers, der Maispflanze und der Feldwirtschaft, beschreiben das Leben der Vorfahren und stellen Kriege, Kämpfe und Niederlagen gegen die Weißen dar 7

Sonne und Mond ergänzen sich in den Vorstellungen der Canela in ihren Funktionen und sind voneinander abhängig, ähnlich wie die Trockenzeit die darauf folgende Regenzeit benötigt, um einen Kreislauf herzustellen 8

  1. vgl. Crocker, William H. (2002): Canela Ramkokamekrá. Introducción. http://pib.socioambiental.org/es/povo/canela-ramkokamekra
  2. vgl. Simoneau, Karin; Wilbert, Johannes: Folk Literature of the Gê Indians. 1984, S. 17.
  3. vgl. Crocker, William H: The Canela (Eastern Timbira). I. An Ethnographic Introduction, 1990, S. 303.
  4. vgl. Crocker, William H: The Canela (Eastern Timbira). I. An Ethnographic Introduction, 1990, S. 303.
  5. vgl. Crocker, William H: The Canela (Eastern Timbira). I. An Ethnographic Introduction, 1990, S. 303.
  6. vgl. Crocker, William H: The Canela (Eastern Timbira). I. An Ethnographic Introduction, 1990, S. 303.
  7. vgl. Crocker, William H. (2002): Canela Ramkokamekrá. Introducción. http://pib.socioambiental.org/es/povo/canela-ramkokamekra.
  8. vgl. Dieckert, Jürgen; Kowalski, Andreas F.; Mehringer, Jakob: Laufen fürs Leben. Ein Besuch bei den brasilianischen Canela-Indianer, 2003, S. 41.