Individuum

Die Erfahrungen der beiden Geschlechter unterscheiden sich bis zum sechsten Lebensjahr kaum. Bis zu diesem Alter spielen Jungen und Mädchen gemeinsam und es gibt noch keine Unterteilung in die vorherrschenden Geschlechterrollen.
Direkt nach der Geburt eines Kindes befindet sich dieses zunächst in einem wehrlosen und krankheitsanfälligen Zustand, in dem es auf Hilfe anderer angewiesen ist und noch nichts zur Gemeinschaft beitragen kann. Der ‘üble Geruch‘ und ‘die Hässlichkeit‘ eines jeden Kindes sind ein Spiegel der in der Gesellschaft vorherrschenden Vorstellung des Amji Krit. Seinen Namen erhält das Baby von der Tante väterlicherseits (Namensgebende Tante) wenn es ein Mädchen ist, und von dem Onkel mütterlicherseits (Namensgebender Onkel) wenn es ein Junge ist.
Innerhalb des Erziehungssystems der Canela ist es nun die Aufgabe der Gemeinschaft, das Kind in den Amji Kin Zustand zu führen. Das Kind wird mit Körperbemalung geschmückt und sollte in dieser Zeit die schützende Umgebung des Dorfes und der Gemeinschaft nicht verlassen, um zu vermeiden, dass ihm/ihr etwas Schlechtes widerfährt.

Ziel im Leben eines Canela ist es, sich den Status des Klotzläufers oder zumindest den des Mitläufers (aktive Beteiligung am Lauf, aber kein Tragen des Klotzes) zu verdienen. Dafür müssen sie diverse Prüfungen und Aufgaben während des Heranwachsens bewältigen. Nach dem ersten rituellen Sexualverkehr beginnt die sogenannte Resguardo-Phase, die extreme Enthaltsamkeit in Bezug auf Drogen, Sex und Essen beinhaltet. Hierdurch wird der Charakter jedes Einzelnen gestärkt. Des Weiteren ist die erfolgreiche Teilnahme an unterschiedlichen Festen und Ritualen notwendig. Nach Abschluss der Prüfungsphase gilt man als ‘wohlriechend‘ und ‘schön‘ und wird als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft angesehen.

Sexualität

Das für Außenstehende als recht offenherzig wirkende Sexualverhalten der Canela hat sich durch die Einflüsse der brasilianischen Gesellschaft und vor allem durch Missionare gewandelt.
Wenn Canela-Frauen schwanger wurden, wählten sie bis zu zwölf zusätzliche geeignete Männer mit denen sie außerehelich verkehrten. Dabei achteten sie auf besonders vorteilhafte Eigenschaften und Fähigkeiten ihrer Partner, da der allgemeine Glaube herrschte, das jeder Erwählte diese Eigenschaften an das ungeborene Kind weitergebe. Diese Konzeption multipler Vaterschaft 1
America. kam vor allem der Erziehung des Kindes zu gute, da sich jeder der potentiellen Väter verantwortlich sah, die Mutter bei der Erziehung und Versorgung zu unterstützten.
Als im Jahr 1968 das protestantische Ehepaar Popjes in das Canela-Dorf einzog, predigten diese insbesondere gegen die sexuelle Offenheit. Sie verbreiteten die Idee der ehelichen Treue und das Gefühl von Eifersucht auf vermeidliche Nebenbuhler. Auf diese Weise glich sich das Sexualverhalten der Canela mit der Zeit an das westlich-christliche an 2.