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Einführung

Im Nordosten Brasiliens, im Bundesstaat Maranhão, leben die Canela. Der portugiesische Begriff Canela wird auf drei kulturell verwandte Timbira-Gruppen angewandt. Es handelt sich hierbei um die Ramkokramekrá, die Apanyekrá und die Kenkateye, wobei einzig die Gruppen der Ramkokramekrá und Apanyekrá heute noch existieren.
Während die Ramkokramekrá den Terminus Canela als Selbstbezeichnung übernahmen, behielten die Apanyekrá ihre traditionelle Bezeichnung 1
Darum beziehen sich die folgenden Informationen ausschließlich auf die Ramokamekrá-Canela, sodass im weiteren Verlauf nur der Begriff Canela verwendet wird.
Heute leben circa 2.100 Canela, deren Sprache zur Familie der Gê-Sprachen gehört, in Maranhão. Die Bezeichnung Canela kommt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie ‘Zimt’ oder ‘Schienbein’, jedoch bleibt der genaue Grund für diese Bezeichnung ungeklärt. Ein Erklärungsversuch könnte sein, dass die Neobrasilianer zu Beginn des 19. Jahrhunderts diese Bezeichnung einführten, weil die Canela das Harz des Zimtbaumes als Klebematerial für Federn nutzen. Ein weiterer Erklärungsansatz bezieht sich auf die Körpergröße der Canela, die im Verhältnis zu anderen Indigenen über dem Durchschnitt liegt (Größe des Schienbeines).

Siedlungsgeschichte

Die ersten Aufzeichnungen der Canela datieren aus dem 17. Jahrhundert, der Zeit der Kolonialisierung des nordbrasilianischen Hinterlandes durch die Portugiesen. Diese errichteten gegenüber der Insel São Luís einen Militärstützpunkt, der es ihnen ermöglichte, Soldaten, Missionare und Siedler in das Ursprungsgebiet der Canela ziehen zu lassen um es agrarisch und militärisch zu erschließen.

Verschiedene Ethnien, darunter auch die Canela, die zu dieser Zeit im Bundesstaat Maranhão lebten, schlossen sich zum eigenen Schutz zusammen und gingen gegen die Kolonialisten vor. Sie wehrten deren Angriffe ab, waren jedoch gezwungen ihre Siedlungen auf immer neue Standorte zu verlegen um den Angreifern dauerhaft zu entkommen.
Anfang des 20. Jahrhunderts siedelten die Canela im Dorf Escalvado, am Fluss Santo Estévão. Eine messianische Bewegung unter den Canela führte 1963 zu verstärkten Spannungen mit benachbarten Großgrundbesitzern, sodass sie gezwungen waren ihr Dorf zu verlassen und nach Sardinha in das Gebiet der Guajajara, 50 km nordwestlich ihres Dorfes Ponto, umzusiedeln. In dieser Zeit hatten sie mit massiven Problemen zu kämpfen, denn das neue Gebiet, hauptsächlich aus Trockenwald bestehend, stellte neue agrarische Anforderungen an die Canela.
Einige passten sich der neuen Umgebung schnell an und erlernten neue Jagd- und Ackerbautechniken. Im neuen Gebiet erforderte die Landwirtschaft zwar mehr Zeit und Arbeit, erbrachte aber bessere Ergebnisse und reichere Erträge. Der Großteil der Canela wollte jedoch wieder in ihr Heimatgebiet zurück, denn sie hatten zu den Guajajaras, einer Tupi-Gruppe, nie besonders gute Beziehungen. Infolge der Kontakte mit ihnen übernahmen die Canela ihre Bekleidung, da die Guajajaras die Nacktheit der Canela inakzeptabel fanden. Ein weiterer Grund sich zu bekleiden, war der vermehrte Kontakt zu TouristInnen und NeobrasilianerInnen, der aufgrund der in der Nähe verlaufenden Straße zwischen Barra do Corda und Sardinha, aufkam.
Die Frauen ließen aber weiterhin ihren Oberkörper unbedeckt, da dies in den Augen der TouristInnen als charakteristisch für Indigene wahrgenommen wurde. Auch konnten die Canela ihre Artefakte gewinnbringend an TouristInnen und NeobrasilianerInnen verkaufen, was später zu einer veränderten Herstellung von Schmuck und von Kunsthandwerk für den externen Markt führte.
Auf eigenen Wunsch kehrten die Canela 1968 unter der Mithilfe der neugegründeten Indianerschutzbehörde FUNAI (Fundação Nacional do Índio) in ihr Heimatdorf Ponto zurück.

Begegnung mit den Neobrasilianern

Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert war die Begegnung mit NeobrasilianerInnen für die Canela geprägt von Vertreibung und Intoleranz. Kontakt bestand hauptsächlich zu portugiesischen Kolonialisten, Militärs und Großgrundbesitzern. Dabei mussten die Ramkokamekrá-Canela stets den Bedürfnissen der portugiesischen Krone nach Territoriumserweiterung weichen. Auch lebten die Canela durch die Anwesenheit des Militärs in einem Klima der Angst. Ihr Bedürfnis nach Frieden zeigte sich auch in der Wahl der Häuptlinge. Deren Kommunikationsfähigkeit, besonders Fremden gegenüber, war ein wichtiges Mittel zur Sicherung des Friedens im 19. Jahrhundert 1
Aufgrund der Alphabetisierung im 20. Jahrhundert, sind die Canela besser in der Lage sich mit der brasilianischen Bevölkerung auseinanderzusetzen und bspw. Handel zu betreiben ohne übervorteilt zu werden.
Aufgrund medizinischer Versorgung durch die FUNAI wurden bessere Gesundheitsstandards etabliert und Krankheiten bedeuten nicht gleich Tod oder Behinderung. Diese bessere medizinische Versorgung hat gleichzeitig ein Wachstum der Bevölkerung zur Folge. Da das Territorium begrenzt und zum Jagen mittlerweile zu klein ist, wird heute die Versorgung hauptsächlich durch den Anbau verschiedener Nutzpflanzen und deren Verkauf gesichert. Dafür muss allerdings mehr Fläche für Feldbau bearbeitet und mehr Arbeitskraft mobilisiert werden. Dies verläuft besonders zu Ungunsten der Zeit die für kulturelle Aktivitäten wie Gesänge, Tänze, Feste und Klotzläufe aufgebracht werden kann.

Missionierung

Den ersten Kontakt mit dem Katholizismus hatten die Canela bereits um das Jahr 1900. 1898 bis 1901 waren mehrere junge Canela-Männer zu Gast in einem katholischen Kloster, um von den Mönchen landwirtschaftliche Techniken und Wissen um medizinische Versorgung zu erhalten. Der Kontakt zum katholischen Kapuzinerorden hielt bis in das Jahr 1962. Erst als im Jahr 1968 die SIL Interesse an den Canela zeigte, kamen sie zum ersten Mal in Berührung mit dem Protestantismus.
Im Jahr 1968 kam Jack Popjes mit seiner Frau Josephine und ihren drei Töchtern in das Dorf Ponto. Ziel des Besuches war es, die Canela zum christlichen Glauben zu bekehren 1 2.
Popjes hoffte dies zu erreichen, indem er die Sprache der Canela verschriftlichte und Bibelübersetzungen anfertigte. Neben dem Missionierungsanliegen verfolgte das Ehepaar Popjes bis 1991 die Absicht , die Canela mit der christlichen Nachbarbevölkerung enger zu verbinden und sie an diese anzupassen. Zu Beginn des Aufenthaltes bot Popjes den Canela eine langfristige Entwicklungszusammenarbeit an, welche ihre Lebensbedingungen dauerhaft verbessern sollte. Im Gegenzug verlangte das kanadische Ehepaar die Durchführung ihrer missionarischen und linguistischen Tätigkeiten. Für die Popjes wurde ein Haus sowie eine kleine Kapelle im Dorf errichtet 3.
Popjes arbeitete mit 60 bis 100 Canela zusammen an der Entwicklung der Schriftsprache Canela-Krahô. Er übersetzte das Neue Testament und Anfänge des Alten Testaments und verteilte diese im Jahr 1990 an die Canela 4.
40 Bibeln und jeweils ein dazugehöriges Begleitheft mit christlichen Liedern wurden in Auftrag gegeben und an die Dorfgemeinschaft verteilt. Der Großteil der Bücher wurde von den Canela als Verpackungsmaterial oder zur Zigarettenherstellung zweckentfremdet. Heute existieren nur noch drei Exemplare, von der sich eine in der Völkerkundlichen Sammlung der Philipps-Universität Marburg befindet 5.
Mit dem langjährigen Besuch der Popjes wurden den Canela ein möglicher Weg der kulturellen Entwicklung aufgezeigt, den sie bisher nicht kannten. Trotzdem blieben die Missionierungsversuche ohne Erfolg. Kein Canela hat sich ernsthaft für den christlichen Glauben entschieden. Die Aussage Christ zu sein, beinhaltet lediglich das in Betracht ziehen der Existenz des Teufels und eines Gottes. Außerdem sehen sich viele Canela bereits als Christ, wenn sie als Mann nicht Rauchen sowie Alkohol trinken und als Frau Unterwäsche in Form eines Büstenhalters tragen 6 7.
Denn dies wurde von Popjes immer gerne gesehen. Grund für das Nicht-gelingen der Missionierungsversuche war höchst wahrscheinlich das rein auf den ökonomischen Vorteil bezogene Interesse der Canela an den Missionaren. 8
Auch die Schriftsprache Canela-Krahô wurde bis heute nicht in die Kultur der Canela übernommen 9.

C-C, 139.16

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Indianerhilfe

Der 1910 gegründete Indianderschutzdienst Serviço de Proteção ao Índio (SPI) übernahm als erste Organisation den Schutz und die Unterstützung der Canela. Der SPI versorgte sie mit Nahrungslieferungen und half ihnen zur Rückkehr an den Fluss Santo Estévão, wo sie das Dorf Ponto gründeten 1. Außerdem eröffnete der SPI im Dorf eine Schule, in der einige junge Männer die Landessprache Portugiesisch gelehrt wurde, positionierte MitarbeiterInnen im Dorf (zur dauerhaften Unterstützung) und verhalf 1949 zwei Canela dazu, eine landwirtschaftliche Ausbildungsfarm bei São Luíz zu besuchen. Dort eigneten diese sich Kenntnisse zum Ackerbau an, welche an die Dorfgemeinschaft weiter gegeben wurden. 1955 beendete der SPI die finanzielle und materielle Förderung der Canela 2.
Da der SPI sich mehr und mehr schwerwiegenden Vorwürfen der Korruption und sogar der Folter und des Genozids an brasilianischen Indigenen ausgesetzt sah, wurde er im Jahr 1967 durch die Nachfolgeorganisation Fundação Nacional do Índio (FUNAI) ersetzt, die die weitere Versorgung mit Hilfsmitteln und die politische Unterstützung übernahm. Zwei Jahre später wurde eine Verbindungsstraße vom Dorf der Canela zur nahe gelegenen Stadt Barra do Corda errichtet, um Handelsreisen und die Versorgung zu erleichtern. In den 70er Jahren erbaute die FUNAI eine Schule, Lagerräume, ein Verwaltungsgebäude, eine Krankenstation sowie ein Zahnlabor in unmittelbarer Nähe zum Dorf Ponto. Durch ein Funkgerät war der Kontakt zur Behörde in Barra do Corda jederzeit möglich. Ebenfalls wurde das Territorium demarkiert und im Jahr 1983 erhielten die Canela, durch die Hilfe der FUNAI, die offiziellen Landrechte für ihr Territorium 3.

C-C, 128.21

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C-M, 20.16

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C-N, 10.17

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